rbb 26.3.2014:
Illegale in Deutschland
Die im Dunkeln sieht man nicht
Bloß nicht auffallen, bloß nicht sichtbar werden in der Öffentlichkeit: Schätzungsweise 80.000-300.000 Menschen leben illegal in Deutschland – in einem rechtsfreien Raum und in permanenter Angst, entdeckt und abgeschoben zu werden. Besonders die katholische Kirche kümmert sich seit Jahrzehnten um diese Menschen.
Von Thomas Klatt
Der Koalitionsvertrag verspricht eine Willkommenskultur für Ausländer. Das Urteil über die Realität dagegen fällt für viele Migrationsexperten ernüchternd aus: Immer noch leben viel zu viele Zugewanderte in Deutschland nur am Rande der Gesellschaft , sagt der Kultur- und Sozialanthropologe Werner Schiffauer. "Es ist eine Politik des nackten Lebens. Sie zerstört die menschliche Würde, weil auf Jahre hinaus das Recht auf Arbeit und Ausbildung genommen wird, und deren Folgen wir kennen: Depression, Sinnlosigkeit, Verfall familiärer Strukturen", so der Wissenschaftler, der zugleich Vorsitzender des Rats für Migration ist, einem bundesweiten Zusammenschluss von Wissenschaftlern zur kritischen Begleitung der deutschen wie auch der europäischen Einwanderungspolitik.
"Die, die am meisten darunter zu leiden haben, sind die Kinder", sagt Schiffauer . Und wenn sie allzu lange dem Regime aus Duldung und Perspektivlosigkeit ausgesetzt sind, werden sie selbst "wiederum auch zu schwierigen Klienten..."
SZ 19.6.2014:
Schattenbanken. Das 71-Billionen-Dollar-Problem
Von Nikolaus Piper, New York
„Die Alarmsignale mehren sich. Der Internationale Währungsfonds, IWF, warnt vor Exzessen in China. Die Ratingagentur Moody's setzt den Kreditausblick der Volksrepublik von "positiv" auf "stabil" herab. In Deutschland fordert die Chefin der Finanzaufsicht BaFin, Elke König, ein "globales Regelwerk". In den USA drängt Karla Stein, Kommissarin bei der Börsenaufsicht SEC, auf schnelle Reformen. Immer geht es um ein Thema: "Schattenbanken".
Unternehmen, die sich wie Banken gerieren, die aber keine sind, drohten 2008 das gesamte Finanzsystem zu sprengen. Jetzt fragen viele Kritiker besorgt: Kann sich das wiederholen? Nach einem Bericht des Internationalen Ausschusses für Finanzstabilität, FSB, in Basel, einer Organisation der großen Industrie- und Schwellenländer, sind allein von 2011 bis 2012 die Anlagen der Schattenbanken um 8,1 Prozent auf 71 Billionen Dollar stiegen. Vor zehn Jahren waren es gerade einmal 26 Milliarden gewesen. Der Bericht des FSB für 2013 liegt noch nicht vor, aber alle Indizien sprechen dafür, dass sich das Wachstum weiter beschleunigt hat.
Eigentlich müsste die Gefahr gebannt sein, zumindest in den Vereinigten Staaten. Das Dodd-Frank-Gesetz, mit dem der Kongress 2010 die Lehren aus der Finanzkrise zog, sieht vor, dass alle "systemisch relevanten" Institute reguliert werden müssen. Tatsächlich sind aber erhebliche Lücken geblieben. "Unglücklicherweise haben wir eine ziemlich schwerfällige Struktur geschaffen, die nicht richtig funktioniert", sagt Simon Johnson, Professor am Massachusetts Institute of Technology, MIT, und einer der schärfsten Kritiker des Finanzsystems. "Richtig wäre ein integrierter Ansatz." Nach so einem Ansatz suchen die Regulierer bisher vergeblich. ...”
Der Spiegel 15.8.1966:
Bleibender Schatten
„Die Bombe fiel vor 21 Jahren. Schutt und Asche sind beseitigt, Häuser und Kirchen wiederaufgebaut. Aber noch immer fordert der Atomblitz, der am 6. August 1945 auf Hiroshima niederfuhr, neue Menschenopfer.
Wie in jedem Jahr, so verharrten am vorletzten Sonnabend morgens um 8.15 Uhr die Bewohner der japanischen Küstenstadt zur Erinnerung an die Stunde Null des atomaren Grauens in einer Schweigeminute. Doch anders als bei den sinnentleerten Gedenktagen zu gewonnenen Schlachten und gescheiterten Aufständen hat das Klagelied von Hiroshima jedes Jahr wieder realen Anlaß: Als am vorletzten Wochenende Sninzo Hamai, Bürgermeister von Hiroshima, zu dreißigtausend Bürgern seiner Stadt sprach, verlas er eine Totenliste - die Namen von weiteren 68 Opfern, die im vergangenen Jahr an den Spätfolgen der Atombomben-Explosion gestorben sind.
70 000 Menschen wurden unmittelbar bei der Explosion getötet. Von manchen blieb buchstäblich nur der Schatten, den sie, als der Atomblitz zuckte, auf den Boden warfen und dessen Umrisse sich in den Stein einbrannten. Mit denen, die in den Tagen und Wochen nach dem Desaster ihren Strahlungsschäden, Verletzungen und Brandwunden erlagen, forderte die Katastrophe von Hiroshima 160 000 Tote. Doch das schleichende Siechtum, durch verborgene Strahlenschäden verursacht, blieb zwischen den wiederaufgebauten Mauern Hiroshimas gegenwärtig...”