Mit einer Leselupe konnte man diesen Text, der über das Bild geleget worden war lesen:
 
Erst wenn das, was man für selbstverständlich hielt, schwindet, erkennt man den wahren Wert.
 
Zweitausendeinundzwanzig sind meine Eltern Leonhard Kunst am siebten April und Marion Kunst am zweiten September verstorben.
 
Ich blicke zurück auf eine glückliche Kindheit, auf ein verlorenes zu Hause und auf das Glück, dass sie meinen Sohn kennenlern konnten.
 
Zu Hause. Das war der integrale Bestandteil meiner Kindheit. Wir waren viel zu Hause. Das Haus ländlich gelegen mit einem Zweitausendfünfhundert
Quadratmeter großem Grundstück. Oder wie mein Vater immer sagte: "Ein Morgen, ein viertel Hektar." Es ist nicht nur mein Elternhaus, sondern auch
das Elternhaus meiner Mutter. Der Garten gepflegt und voll mit Obst und Gemüse. Das Haus gepflegt und voll mit Erinnerungsstücken.
 
Es gab viele Tiere in meiner Kindheit. Allen voran Kaninchen. Die Kleintierzucht war eine Passion meines Vaters. Auch ich war zeitlang Mitglied im
Kleintierzuchtverein. Praktisch jedoch hat mein Vater die Kaninchen für mich gezüchtet. Ich hatte nur die Rasse ausgesucht Kleinsilber gelb.
Zu den Kaninchen gesellten sich ein Wellensittich, ein Kanarienvogel, später eine Katze, ein Hund. Als mein Vater in Rente ging, kamen Hühner dazu.
All das erfordert Aufmerksamkeit und viel Zeit. Urlaub gab es nur selten. Meistens Tagesausflüge und wenige mehrtägige Reisen zu weiter entfernt
lebenden Verwandten.
 
Das Haus, der Garten und alle Anbauten beinhalteten ihre eigenen Geschichten. Ein paar werde ich hier wiedergeben.
 
"Bewahret einander vor Herzeleid, denn kurz ist die Zeit, die ihr beisammen seid." Der Spruch hing in der Küche. Es war ein dunkles Holzimitat aus Kunststoff.
Ich nehme an, dass die Schrift tatsächlich aus Metall bestand. Ich kann mich nicht daran erinnern, das Schild jemals in der Hand gehabt zu haben.
Das Schild hing direkt über der Tür zu meinem Zimmer. Neben der Tür stand Küchenschrank und unter dem darüber angebrachten Hängeschrank war ein
Küchenradio angebracht, das, wenn es lief, Radio Niedersachsen spielte. Auch wenn das Herzeleidschild lange vor meiner Geburt dort angebracht wurde, so
hatte es später noch eine andere unerwartete Bedeutung. Genau dieses Zitat findet im Lied Herzeleid von Rammstein Verwendung und kündet über der
Tür an, dass man nun den Volksmusiksektor verlässt. Meiner Kenntnis nach traf der Spruch auf das Leben meiner Eltern zu.
 
Im Kontrast dazu hing über der Tür rechts vom besagten Küchenschrank das Schild "Das schönste an der Gartenarbeit ist das Gießen." mit einem kleinen
Relief, das einen Mann beim Biertrinken zeigt. Dieser Spruch traf nicht auf meine Eltern zu. Alkohol wurde eher wenig genossen, aber auf Feiern gerne ausgeschenkt. Es gab eine Zeit in der mein Vater gerne Abend mal ein Alster getrunken hat. Seine spezielle Mischung bestand aus Zitronenlimonade, die gerade so viel Bier gesehen hat, dass sie sich leicht ins goldbraune verfärbte. Während der Gartenarbeit wurde kein Alkohol getrunken. Es wurde recht wenig getrunken.
Das heute so verbreitete mitnehmen einer Wasserflasche gab es nicht. Ab und an ist mein Vater zu einer Getränkepause ins Haus gegangen. In meiner Erinnerung allerdings erst in den späteren Jahren.
 
Das Haus meiner Eltern wurde von meinen Großeltern in den 20er Jahren gebaut. Somit befanden sich auch Gegenstände mit Bezug zu meinen Großeltern im Haus. Leider habe ich meine Großeltern nie kennengelernt. Ein paar wenige Erinnerungsstücke waren mir durchaus bekannt. Zum Beispiel altes Werkzeug zum Strohschneiden. Es wurde nicht mehr von meinen Eltern benutzt, aber es war auf dem Heuboden, der später mein Kinderzimmer wurde. Im Heizungsraum stand
immer ein Hufeisen mit der Öffnung nach oben, sodass es das Glück sammeln konnte. Auch wenn es der am wenigsten attraktivste Raum war, so war er doch
ein zentraler Raum. Der Heizungsraum grenzte an die Küche und war der Durchgang zur Hintertür, die auf den Hof hinausführte und man stand dann direkt beim Carport. Die Tür war die beliebtere Eingangstür. Im Gegensatz zum vorderen "offiziellen" Eingang, der überwiegen abgeschlossen war, gab es hinten keine Klingel und die Tür war den ganzen Tag unabgeschlossen. Vertreter, Postboten und Besuch zu offiziellen Anlässen kam immer durch die Vordertür. Freunde kamen,
sofern keine offizielle Einladung ausgesprochen war, immer unangekündigt durch die Hintertür und klopten im Heizungsraum an die Küchentür. Sie alle haben das Hufeisen passiert, dem ich wenig Beachtung geschenkt und wenig Bedeuting beigemessen habe. Kurz vor dem Tod meiner Mutter habe ich erst erfahren, dass mein Großvater Hufschmied war. Es war also nicht nur ein Symbol des Glücks, sondern auch der Herkunft. Zu Unrecht hatte ich das Hufeisen all die Jahre als Aberglaube abgetan und die ware Bedeutung unterschätzt.
 
Mein Vater hat sehr viel mit Holz gebaut. Regale, Tische, die Wiege für meine Nichte, aber auch größeres. Den Ausbau des Heubodens zu meinem Kinderzimmer, die Terrassen, Kaninchen- und Hühnerställe sowie den Carport. Diese Anglizismus fand allerdings nie Gebrauch in meiner Familie. Es war einfach das Unterstelldach. Ich kann leider nicht rekonstruieren, wie alt ich war, als mein Vater das Unterstelldach baute. Es muss zu Grundschulzeiten gewesen sein. An einer Seite grenzte es an existierende Schuppen. Es war ein leicht schräges Holzdach, dass durch mehrere Stützbalken getragen wurde. Zwei weitere Seiten bekamen Wände. Es ware Bretter die Zwischen den Stützbalken verliefen. Allerdings gab es noch eine senkrechten Mittellatte. Jedes zweite Brett war hinter den Stützbalken befestigt und verlief vor der Mittellatte. Die anderen Bretten waren vorne an den Stützbalken besestigt und passierten die Mittellatte auf der Rückseite. Ein Geflecht aus Brettern. Beide Wände reichten nicht ganz bis ans dach, sondern endeten einen halben Meter vorher. Als Kind dachte ich, dass mein Vater Fenster einsetzen würde. Ich war hochgradig enttäuscht, als er das nicht tat. Ich sagte ihm, dass ich Fenster einbauen würde, wenn ich groß bin. Ich bin ein wenig sentimental, dass es nicht dazu kam. An der einen geflochtenen Wand züchtete mein Vater Wein. Die Trauben waren klein und sauer. Nun ja, eine Südwand ist noch lange kein Südhang. Hinter der Rückwand lag der Kaninchenstall. Er stand ca. 80cm entfernt. Mein Vater nutzte den Platz um Eisenstangen, lange Rohren und Metallschienen zu lagern. Das Ende Richtung Garten wurde von Büschen begrenzt, dass andere Ende führte in einen anderen schmalen Gang der zwischen Nachbars Garage und Kaninchenstall lag. Das waren für uns Kinder die optimalen Geheimgänge. Dor schmiedeten wir Pläne, gruben im Sand oder kokelten Papier an, wobei wir die Asche natürlich im Dreck verscharten - Beweisvernichtung.
 
Doch zurück ins Haus. Wie erwähnt ging das Badezimmer von der Küche ab. Wenn man ins Bad kam warne zur Linken die Badewanne und danach eine separate Dusche mit Duschvorhang. Zur Rechten war die Waschmaschine, das Waschbecken, ein Handtuchhalter und dann die Toilette. Das Bad war Lichtweiß gefließt. Obwohl die Fliesen sechseckig waren, würde ich ihre Form am ehesten mit einer Raute vergleichen. Die Kacheln an der Wand hatten einen ähnlichen Farbton waren allerdings größer, quadratisch und hatten feine pastellfarbende Linien am Rand. Eine Kachel an der Wand neben der Tür und Waschmaschine hatte einen Aufkleber. Eine gelbe Ente, die wohl eine Werbeaufkleber von Citroen war. Ich weiß nicht, seit wann die Ente dort klebte. Gefühlt mein ganzes Leben. Vielleicht stimmt es auch. Es stand schon immer eine Waschmaschine genau dort. Und als ich Baby war, hatten meine Eltern keine Wickelkommode. Meine Mutter hat mich immer auf der Waschmaschine gewickelt. Ich weiß nicht, ob mein Vater mich überhaupt gewickelt hat. Ich weiß, dass er einmal auf mich aufpassen musste und mich viel zu warm angezogen hatte, da er nicht abkonnte, wenn irgendwo nackte Stellen zu sehen war. Mir hätte ja kalt sein können. So trug mein Baby-ich wohl mehrere Schichten Kleidung, zum Teil wohl falschherum angezogen, um nicht zu frieren. Diese Annekdote kursierte in meiner Familie. Bilder gab es aber keine. Jedoch wurde wickeln nicht erwähnt. Was auch wohl ein schwierigeres Unterfangen war, da ich nur Stoffwindeln trug und bei Einwegwindeln immer gewe^ient oder wohl besser geschrien habe.
 
Die Küche beinhaltete ein Sammelsurium von Küchengeräten und Andenken, die sich über die Jahre ansammelten. Von alten Senfgläsern mit Pumuckl- und Simpsonsmotiven bis hin zu allerlei technischem Gerät, was meine Mutter meinte zu brauchen. Im Endeffekt war es nur für eine kurze Zeitspanne exzessiv im Gebrauch, dann fing es nur noch Staub. Da wären zu Sandwitchtoaster, Brotbackautomat, Joghurtzubereiter, Eierkocher (später landeten die Eier wieder im Topf), ein Crèpe-Maker, das war so eine Art Waffeleisen. Verschiedene Mixer und Zerkleinerer. Dabei war meine Mutter keine Leidenschaftliche Köchen, aber sie hatte einige Gerichte die unglaublich gut waren. Sie hat hervorragend Kaninchen im Römertopf bereitet. Ihre Niedersächsische Hochzeitssuppe war einer meiner Lieblingssuppen neben Linsensuppe, so wurde sie bei uns genannt, das Wort "Eintopf" hätte besser gepasst, und Erbsensuppe mit "Klütschen" -- Mehlklößchen. Was ich noch immer sehr beeindruckend finde, dass meine Mutter immer alles an Zutaten hatte um ohne Rezept einen "Pottkuchen" oder Eierschwer zu zaubern. In meiner Kindheit hat sie den Topfkuchen wohl immer gebacken, wenn das Nachbarskind zum Spielen vorbeischaute. Da sich die Rezepte einfach aus Erfahrung immer weiter verfeinert haben und meine Mutter sie nie aufschrieb, kann ich nur noch von meinen Erinnerungen zehren.
 
Neben den 70er-Jahre-Schränken aus Spanplatte und Plastikfunier in Holzoptik waren auch regale in der Küche, die mein Vater selbst gebaut hat. Eines passgenau hinter der Durchgangstür zum Esszimmer. Es war auf der rechten Seite schmaler als auf der linke, sodass es problemlos hinter der geöffneten Tür verschwand. Dort standen die Küchengeräte und Töpfe, die im Alltag gebraucht wurden. Ein weiteres hängendes Regal muss eines der ganz frühen Möbeltischlerwerke meines Vaters gewesen sein. Es war viel filigraner gebaut als spätere Möbelstücke. Mit kleinen Schubladen in denen Backpulver- und
Vanillezuckerpäckchen lagerten. Sogar kleine Geländer waren an einigen Fächern angebracht, sodass Zuckerdosen und andere Vorratsbehälter nicht unbeabsichtigt runtergerissen werden konnten. Man musste sie erst über die kleine Brüstung heben um sie zu entnehmen. Der Geruch der sich in den kleinen Schubladen festgesetzt hat, eine Mischung aus Holz, Zucker und Vanillin, stimmte mich noch im erwachsenen Alter glücklich.
 
Das an der Küche angrenzende Esszimmer besaß einen Durchbruch zum Wohnzimmer. Als Kind war es für mich ein einziger Raum. Erst später waren Sessel so aufgestellt, dass es eine klare Raumteilung gab. Zu Weihnachten stand der Tannenbaum immer unter dem Durchbruch oder sehr nahe dran. Es war noch deutlich die Wand erkennbar, die durchbrochen wurde, da sie nicht vollständig entfernt wurde und die Mauerreste am Durchbruch mit Holz verkleidet waren, geradezu wie ein überdimensionaler Türrahmen. In dem Holz war vom Esszimmer ausgesehen ein Haken. Dort wurde jedes Jahr mit einem Nylonfaden der Weihnachtsbaum gesichert, falls er mal umgestoßen werden sollte. Anfänglich wegen mir, später wegen des Hundes. Kein einziges mal wurde die Sicherung auf die Probe gestellt.
 
Weihnachten war immer ganz besonders für mich. Zugegebener Maßen wegen der Geschenke. Meine Eltern haben immer versucht meine Wünsche zu Weihnachten zu erfüllen. Das Playmobil Piratenschiff, die Playmobil Ritterburg. Der Zusammenbau der letzteren ist mir sogar noch im Kopf. Ich habe die
Zeichnung "gelesen" und mein Vater musste die Teile zusammenstecken, da ich nicht kräfitg genug war. Meine Eltern berichteten mir später von einem
anderen Vater, der meine Eltern gewarnt habe, dass diese Ritterburg deren ganzen Weihnachtsfest versaut habe. Sie haben es nicht geschafft, die Burg
zusammenzubauen, was die Weihnachtsstimmung ruinierte. Ich bin sehr froh, dass meine Eltern die Warnung nicht ernst genommen haben. Der Aufbau
verlief bei und reibungslos.
 
In den ersten Jahren als ich noch kein Kinderzimmer hatte, war mein Spielzeug überwiegend in Wohn- und Esszimmer verstaut. Mein ganzer Stolz, die Playmobil-Ritterburg, stand auf einer großen Holzplatte, sodass sie nach dem Spielen wieder unter den Schrank geschoben werden konnte.
Mein Vater arbeitete viele Jahre in der Warenannahme des Geschäfts "Hellweg Centrum". Dort war auch ein kleines Büro. Als ich das als Kind zum ersten mal sah, wollte ich auch ein Büro. Aus einem Kinderstuhl und -tisch wurde ein kleine Schreibtisch, der im Esszimmer stand. Ich hatte ein ausrangiertes Telefon, eine Spielzeugschreibmaschine und registrierkasse. So habe ich dort Büro gespielt. Die Vergangenheit wiederholt sich. Unser Sohn sieht uns immer im Home Office und hat sich aus einer ausrangierten Tastatur, einem Karton als Monitor, sowie Tischchen und Stühlchen auch ein Büro gebaut. Mein Büro war dort natürlich nicht ewig. Ich kann mich nicht einmal erinnern, wann und wie es aufgelöst wurde, so wandelte sich die Ecke. Zum Schluss war dort ein Schränkchen, welches mit Schnickschnack aller Art bedeckt war. Darunter sehr viele Geschenke. Aber auch ein Amazon Echo, sprich Alexa, die zum festen Bestandteil des Tages wurde. Mit dem Büroarbeitsplatz war ich eigentlich meinen Eltern technisch voraus, wenn er denn echt gewesen wären. Auf Alexa habe ich mich bis heute nicht eingelassen. Man könnte sagen, sie hatten mich überholt.
 

Sie haben mich nicht wirklich überholt. Ich dachte eine Alexa wäre etwas für meine Eltern und ich habe sie zu Weihnachten geschenkt und eingerichtet.
Sie haben wirklich viel Freude damit gehabt. Der Tag an dem man vom Bevormundeten zum Vormund wird, ist schwierig. Rechtlich war ich nicht der
Vormund meiner Eltern, aber sie haben sich auf mein Urteil verlassen und brauchten meine Hilfe. In dem Moment stirbt ein Teil der Kindheit. Es ist nicht so,
wie es mal war. Kartoffeln ernten. Etwas, was meine Eltern selbstverständlich gemacht haben, mit vielen Stauden, schrumpfte zusammen auf wenigen Stauden
und einer Ernte mit Hilfe. So schrumpfte der Kreis des Wirkens meiner Eltern Jahr für Jahr.
 
Das Zentrum des Esszimmers war der große, schwere, runde, hölzerne Esstisch. Er war ausziehbar. Die Tischplatte konnte mit zwei lose sitzenden Haken entriegelt und auseinandergezogen werden. Zwischen den zwei Halbkreisen kam ein schweres zusammengeklapptes Mittelstück zum Vorschein, welches
entfaltet zwichen den beiden Halbrkreisen Platz fand. Da es sich um schwere Tischplatten handelte, die bewegt, geklappt und eingehakt wurden, hatte
insbesondere meine Mutter ständig Angst, dass ich mir die Finger klemmen könnte. Es war für mich eine Form des Erwachsenwerdens als ich auch den Tisch
ausklappen durfte. Irgendwann waren meine Eltern zu schwach, den Tisch alleine zu bewegen. Dann habe ich den Tisch zusammen mit meinen Eltern ausgezogen, die Tischdecke darauf gelegt und ihn eingedeckt. Immer aber unter den mahnenden Worten meiner Mutter: "Pass auf Deine Finger auf!". Das tat ich, ich habe sie kein einzigen mal geklemmt. Das geschah immer zu Anlässen an denen Besuch kam. Also meistens die Geburtstage meiner Eltern.
 
Ich hatte eine glückliche Kindheit. Unabhängig davon geht die Kindheit einmal zu Ende. Es war nicht, dass ich erwachsen und geschäftsfähig wurde. Auch nicht,
dass ich einen gutbezahlten Job hatte oder vom Bildungsgrad meine Eltern überholt habe. Was tatsächlich gar nichts bedeutet. Jeder hat eine eigene Vorstellung
vom guten Menschen und wenn man das in seinen Eltern sieht, ist das ein sehr hohes gut. Meine Kindheit ging verloren als wir das Elternhaus verkauft haben, um meinen Eltern den Lebensabend im Heim zu finanzieren. Als der Käufer feststand, starb unverhofft mein Vater. Ein halbes Jahr später meine Mutter an Lebermetastasen. Ich habe sie bis zum Tod begleitet. Das war das Ende meiner Kindheit. Ich war kein Kind mehr lebender Verwandter. Der Platz, den ich immer
mein zu Hause nannte, war verschwunden. Als meine Mutter beerdigt wurde, wurde zur gleichen Zeit die Reste vom Keller meines Elternhauses abgerissen.
Die Trauer kann ich kaum in Worte fassen, da der Verlust viel größer ist als das rein Materielle. Es wurden sehr viele Geschichten weggeworfen oder begraben,
aber die Holzbank auf der Terasse, die mein Vater gebaut hat, existiert noch heute. Die Käufer des Hauses haben sie behalten. Der Hühnerstall, aus Holz
gezimmert und sehr robust, steht bei einem Bauern. Und es gab den doch recht kurzen Moment an dem meine Eltern Tammo kennenlernen durften. Es entstand ein Foto mit allen Großeltern, den Eltern und Tammo. Ein Foto, das es in meiner Kindheit nicht gab. Ich bin ohne Oma und Opa aufgewachsen. Wenn Tammo dieses Bild sieht, spricht er von Oma Engel. Ein Trost und eine Geschichte, die weiterlebt.
 
Meine Eltern wären am fünfundzwanzigsten August diesen Jahres einundsechzig Jahre verheiratet gewesen. Zur goldenen Hochzeit habe ich ihnen kein Geschenk
bereitet. Besser gesagt es war die Zusage auf einen Restaurantbesuch, den wir nie wahrgenommen haben. Zum sechzigsten Hochzeitstag wollte ich das ändern.
Leider kam es nicht mehr dazu. Meine Mutter hat ein kleines Blümchen von mir an dem Tag bekommen und wir haben Kuchen gegessen und den Tag mit Geschichten gefüllt. Es war ein sehr schöner Tag. Acht Tage später verstarb meine Mutter in meinem Beisein.
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